Sextortion

Wenn intime Fotos und Videos genutzt werden, um jemanden zu erpressen oder nötigen, spricht man von Sextortion. Tatpersonen bauen durch Täuschung ein Vertrauensverhältnis auf, um an sensibles Bildmaterial zu gelangen. Wer die wichtigsten Schutzstrategien befolgt und online besonders vorsichtig ist, minimiert das Sextortion-Risiko.

Was ist Sextortion?

Das Wort setzt sich aus den beiden englischen Wörtern «sexual» und «extortion» (Erpressung) zusammen. Es bedeutet, dass eine (erwachsene) Person tatsächlich oder angeblich vorhandene Fotos und Videos mit erotischen oder sexuellen Inhalten nutzt, um jemanden zu nötigen oder zu erpressen. 

Es ist strafbar, intime Fotos ohne Zustimmung der abgebildeten Person zu veröffentlichen oder damit zu drohen. 

Kampagnenfilm "Gemeinsam gegen Cybersexualdelikte an Kindern und Jugendlichen"

Was geschieht bei Sextortion?

Übt eine erwachsene Person Sextortion aus, geht sie in der Regel gleich vor wie Cybergroomer:innen: Die erwachsene Person hält sich in der digitalen Welt dort auf, wo Kinder und Jugendliche ihre Zeit verbringen – in Onlinegames, in den soziale Medien (Tiktok, Snapchat, Instagram, usw.) sowie in Chatrooms. 

Kriminelle Netzwerke sind darauf spezialisiert, über die sozialen Medien Kontakt zu Kindern und Jugendlichen zu knüpfen und ihr Vertrauen zu gewinnen. Sie geben ihnen das Gefühl, eine:n attraktive:n Partner:in gefunden zu haben. Lässt sich der oder die Jugendliche darauf ein, sich vor der Kamera auszuziehen oder zu masturbieren, zeichnet die Tatperson dies auf und erpresst in der Folge die betroffene Person damit. Viele wollen Geld, manche aber auch weitere Bilder oder ein persönliches Treffen mit erzwungenem Geschlechtsverkehr. 

Sextortion kann jede und jeden treffen

Von Sextortion sind Jugendliche und Erwachsene betroffen. Junge Männer werden am häufigsten erpresst. Sie werden von Personen angeschrieben, die sich als junge, attraktive Frauen ausgeben. Diese schicken den Jugendlichen Fotos und Videos mit sexuellem Inhalt (siehe auch Sexting) und verlangen im Gegenzug ähnliches Bildmaterial. Die Jugendlichen sollten sich bewusst sein, dass sie keine Kontrolle mehr über die Inhalte haben, sobald Fotos oder Videos einmal verschickt sind. Zusicherungen, das Bildmaterial werde vertraulich behandelt, ändern nichts daran. Wer intime Fotos und Videos verschickt, geht ein beträchtliches Risiko ein, später damit erpresst zu werden.

Einfluss von künstlicher Intelligenz (KI) auf Sextortion / Deepfakes

Mithilfe von KI generieren Täter:innen künstlich erstellte Medieninhalte, die täuschend echt aussehen und die Betroffenen z.B. bei sexuellen Handlungen oder in sexuellen Posen zeigen. Je mehr Bildmaterial (z.B. Bilder auf Instagram-Profil etc.) vorhanden ist, desto realistischer sehen die generierten Inhalte aus. Mit diesen KI generierten Inhalten können die Jugendlichen ebenfalls erpresst oder genötigt werden. 

Täter:innen können durch KI-Tools in Videocalls vollständig andere Identitäten annehmen. Das reicht von der bildlichen Erscheinung bis zur Sprache oder Stimme. 

So gehen Tatpersonen bei Sextortion vor

Suche nach potenziellen Opfern

Die Tatpersonen suchen anhand von öffentlich zugänglichen Informationen, wie beispielsweise öffentlich geteilte Beiträge, Likes, Followers, Kommentare, etc., nach potenziellen Opfern. 

Die Täter:innen suchen in der Regel nach Kindern und Jugendlichen welche:

  • zurückhaltend, verunsichert sind 
  • sich in einer persönliche Krise befinden, destabilisiert sind
  • sich als Aussenseiter:in erleben 
  • sich extrovertiert, risikofreudig zeigen
  • oder über (jüngere) Geschwister verfügen

Kontaktaufnahme

Ein Kontakt mit Täter:innen kann sich unter anderem durch folgende Punkte auszeichnen:

  • Humorvolle, lockere Kommunikation
  • Angabe von gleichen Interessen und Alter
  • Rascher Austausch von Bildmaterial ohne sexuellen Bezug
  • Sexuell anstössige Kommentare

Beziehungsaufbau

Um ein enges Verhältnis und die Kontrolle über die/den Jugendliche:n zu erlangen, stellt die Tatperson eine enge emotionale Bindung her, indem sie…

  • den Sprachstil des Jugendlichen nachahmt,
  • gezielt persönliche Themen anspricht, um Nähe zu schaffen,
  • Fragen zu Persönlichkeit und Lebenswelt stellt und besonders Interesse an Sorgen und Problemen zeigt,
  • gemeinsame Interessen oder Erfahrungen betont.

Diese Strategien schaffen eine Vertrauensbasis und eine gewisse emotionale Abhängigkeit.  

Risikobewertung

Die Tatperson prüft die Risiken des Kontakts mit den Jugendlichen, indem sie:

  • nachfragt, ob der/die Jugendliche über die Beziehung mit anderen spricht.
  • sicherstellt, ob das Gerät alleine genutzt wird.
  • klärt, wo sich der/die Jugendliche zu Hause aufhält.
  • sich nach den Arbeitszeiten der Eltern erkundigt.
  • rausfindet, ob der/die Jugendliche während der Online-Aktivität allein ist.

Aufbau von Exklusivität

Die Tatperson will, dass der/die Jugendliche sich auf eine Beziehung einlässt. Dies kann sich in folgendem Verhalten der Tatperson äussern: 

  • sie täuscht Vertrauen vor, indem sie über Geheimnisse, gemeinsame Sorgen und Probleme spricht.
  • sie behauptet, nur sie kann diese Probleme verstehen und lösen.
  • sie hervorhebt, dass ihre Beziehung besonders ist.
  • sie sagt, das Umfeld versteht die Beziehung nicht.
  • sie fordert, die Beziehung geheim zu halten.
  • sie stellt die Beziehung als einzigartig, exklusiv dar.
  • sie will den Einfluss des Umfelds verringern.
  • sie will den eigenen Einfluss auf die/den Jugendlichen maximieren.

Sexuelle Ausbeutung

Die Tatperson: 

  • spricht über sexuelle Erfahrungen und Fantasien
  • gibt sich als Lehrer:in/Meister:in in Sachen Sexualität
  • fragt direkt nach sexuellem Material und Austausch (z.B. Nacktbilder, Videos, Sprachaufnahmen, Videocall)
  • versucht über Bestechung (Geld, Geschenke in Games) intimes Material zu erhalten
  • droht und erpresst mit Verwendung/Verbreitung persönlicher Informationen und/oder bereits geteiltem Bild-/Video-/Audiomaterial 

So schützen Sie Ihr Kind

  • Verzichten Sie möglichst darauf, persönliche Daten Ihres Kindes online zu teilen – insbesondere auf Social Media.
  • Teilen Sie nur online, was Sie auch offline mit Fremden teilen würden. 
  • Posten Sie zum Schutz der Privatsphäre Ihres Kindes keine Bilder, auf denen es erkennbar ist. 
  • Stellen Sie Ihr Profil auf privat oder teilen Sie Bilder, die Ihr Kind zeigen, nur mit ausgewählten Personen. So bestimmen Sie selbst, wer die Beiträge sehen kann.
  • Achten Sie auf Ihren eigenen Umgang mit Medien und dem Internet, denn Sie sind für Ihr Kind ein Vorbild – auch online.
  • Zeigen Sie Interesse daran, was Ihr Kind im Internet macht, und sprechen Sie mit ihm darüber; auch über die Risiken, die ihm in der digitalen Welt begegnen können. Erklären Sie, dass nicht alle Menschen im Internet gute Absichten haben und dass Profile – auch die anderer Kinder – gefälscht sein können. Besonders bei Kontaktanfragen von fremden Personen sollte Ihr Kind vorsichtig sein. 
  • Informieren Sie sich über eine altersgerechte Sexualerziehung Ihres Kindes und klären Sie es über sexualisierte Gewalt – sowohl online als auch offline – auf. Offene Gespräche über Sexualität schaffen Raum für Vertrauen und fördern die gesunde sexuelle Entwicklung des Kindes. 
  • Trainieren Sie gemeinsam Abwehrstrategien: Wenn Sie mit Ihrem Kind das Neinsagen üben, kann es im Ernstfall darauf zurückgreifen. Sätze wie «Das will ich nicht!» oder «Ich zeig dich an!» können abschrecken.
  • Unterstützen Sie Ihr Kind dabei, sich selbst vor sexualisierter Gewalt zu schützen. Sie können zum Beispiel mit Ihrem Kind die Ausstellung «Love Limits» besuchen. Die Ausstellung richtet sich an Jugendliche, Eltern sowie Lehrkräfte. Jugendliche lernen hier, die Bedeutung von persönlichen Grenzen in Beziehungen zu verstehen und diese zu respektieren.
  • Orientieren Sie sich für das Posten von Kinderbildern an der folgenden Checkliste von Kinderschutz Schweiz. 

Was können Sie tun, wenn Ihr Kind von Sextortion betroffen ist?

  • Holen Sie sich bei Bedarf weitere Informationen und Unterstützung bei der unabhängigen und anonymen Melde- und Beratungsstelle clickandstop.ch 
  • Gehen Sie unter keinen Umständen auf Forderungen (z.B. Erstellung/Versand von Bildern oder Geld) durch Erpresser:innen ein. 
  • Machen Sie Ihrem Kind keine Vorwürfe und zeigen Sie, dass Sie auf seiner Seite stehen. Sexualisierte Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen ist nie ihre Schuld – weder online noch offline.
  • Vermitteln Sie Ihrem Kind, dass es keine Schuld trifft und dass es nicht allein ist. Ein solcher Vorfall kann beim Kind Scham auslösen. Vielleicht will es im ersten Moment nicht mit Ihnen darüber sprechen. Es ist jedoch wichtig, den Dialog zu suchen, um zu verstehen, weshalb Ihr Kind den Kontakt zu dieser Person gepflegt hat, und wie es sich künftig besser schützen kann.
  • Machen Sie dem Kind Mut und sichern Sie ihm Ihre Unterstützung zu. Es kann vorkommen, dass sich Kinder und Jugendliche plötzlich einer Vermittlung verweigern oder Hilfe ablehnen. Ein möglicher Grund ist Angst davor, dass noch weitere Personen hinzugezogen werden müssen (zum Beispiel die Polizei). Erklären Sie ihm, dass dies alles Fachpersonen sind, deren Aufgabe es ist, zu helfen und zu unterstützen.
  • Gehen Sie nach einem Vorfall möglichst rasch zur Polizei und erstatten Sie Anzeige. Bringen Sie nach Möglichkeit Beweismaterial mit. Achten Sie dabei auf Folgendes:
    • Keine Speicherung, Weiterleitung und Verarbeitung des kinderpornografischen Bild- und Videomaterials! Der Besitz und die Weiterleitung von Erzeugnissen mit sexuellen Handlungen mit Minderjährigen ist ebenso verboten wie die Herstellung. Lassen Sie sich also auch keine Bilder und Videos zuschicken, um diese dann als Beweismaterial auf Ihrem Handy zu sichern. 
    • Bringen Sie betroffene Handys oder Tablets zur Polizei.
    • Stellen Sie verfügbare Informationen zu Täter:innen zusammen: 
      • (User-)Name der Täterschaft mittels Bildschirmaufnahmen (Screenshots), die den Registrierungsnamen sowie die Fotoübersicht des Accounts der Täterschaft enthalten. Notieren Sie das Datum und die Uhrzeit der Bildschirmaufnahmen.
      • Angaben für Geldüberweisungen bei Erpressungen (z. B. Bankkonto)
      • Verwendete Mailadressen, Telefonnummern etc.
  • Blockieren/melden Sie den Account bei der Plattform erst nach der Spurensicherungdurch die Polizei. So kann die Polizei Ermittlungen/Sicherungen des Erpresser-Accounts vornehmen. 
  • In einigen Fällen gehen sexualisierte Gewalt oder Erpressungsversuche auch von Schulkolleg:innen aus. Informieren Sie allenfalls Lehrpersonen oder Schulsozialarbeitende über die Situation und prüfen Sie rechtliche Schritte. 
  • Nutzen Sie den anonymen und kostenfreien Service von Take It Down, um eine Weiterverbreitung der Aufnahmen auf unterschiedlichen Plattformen zu verhindern.

Gemeinsam gegen Cybersexualdelikte an Kindern und Jugendlichen

Hier erfahren Sie mehr über die Kampagne  «Gemeinsam gegen Cybersexualdelikte an Kindern und Jugendlichen»